Freitag, 3. August 2012

Wenn Dein Elch nicht mehr röhrt wie Dein Elch...

Es hat mal wieder so gut getan, ein paar Tage in Schweden zu verbringen.
Man kann vieles belächeln an dem Land: Etwa das sture Beharren an den Nummernzetteln, die die Reihenfolge der Bedienung in jedem noch so kleinen, abgelegenen Laden festlegt.
Oder den Heldenstatus von Tanzkapellen mit Namen wie "Vikingarna" oder "Lasse Stefanz", die mit ihrem Sound die "Flippers" wie progressive Vertreter des Nu Jazz dastehen lassen, aber irgendwie auch nur eine andere Verabreichungsform des eingängigen schwedischen Popsounds sind, der - oft unerkannt - rund um den Erdball die Hitparaden beherrscht.
Ganz bestimmt das leicht schizophrene Verhältnis zum Institut der Privatsphäre; darauf legten die Schweden nämlich größten Wert und ließen Fremde erst einmal nicht so leicht an sich heran; hierauf hat man mich schon vor Jahren eindringlich hingewiesen, bevor ich zum ersten Mal dorthin gereist bin. Sichtbarstes Kennzeichen hierfür sind womöglich die gelegentlich massiven Sichtschutzzäune, die auch um die hellsten und lichtesten Terrassen und Vorgärten herum gezogen werden. Im Gegenzug haben die Schweden weitgehend kein Problem damit, einem an der Supermarktkasse schwungvoll das Chassis ihres Einkaufswagens in die Fersen zu rammen oder einem auf einer ansonsten menschenleeren Liegewiese schnustracks über die Picknick-Decke zu latschen. Noch immer rätsle ich über die Theorie, dass dies nur die Reaktion darauf ist, dass die schwedische Gesellschaft so offen ist, dass jeder beim Finanzamt anrufen und nachfragen kann, was für ein Einkommen sein Nachbar für das letzte Jahr erklärt hat - und darauf auch eine Antwort bekommt.

Trotzdem. Auf eine Weise ist das Leben dort auch wieder entspannter als hier. Es verliert keiner die Geduld, wenn man sich in einer schwedisch-deutsch-englischen Mischsprache verständlich zu machen sucht. Im Café stehen Kuchen und Gebäck zum Wegnehmen neben den Kaffeekannen zum Nachschenken, und man zahlt hinterher das, was man der Bedienung gegenüber angibt. In der deutschen "Geiz ist geil"-Gesellschaft undenkbar.

Ich kann nicht ausschließen, dass mich irgendwelche Inhaltsstoffe in den Köttbullar, im Frischkäse der Geschmacksrichtung "geräuchertes Rentierfleisch" oder in der Filmjölk mit Vanillegeschmack (Vorsicht! Kann abhängig machen!) besonders milde stimmen, vielleicht liegt es aber auch einfach an der wunderbaren Zeit in der liebenswertesten und aufbauendsten Gesellschaft, die ich mir vorstellen kann. Aber die Vorstellung, einmal in Schweden ein eigenes Häuschen auf einem Stück Land mit eigenem Zugang zum Meer zu besitzen, schafft schon einen inneren Sehnsuchtsort.

Doch es ist ja nicht so, dass es sonst nichts zu tun gäbe.
Die Batterien sind jedenfalls soweit aufgeladen, dass wir uns, neben anderem, dem nächsten SlamMassel widmen können. Hierzu in Bälde mehr.


Abschließend noch ein Lesetipp, nicht nur für Freunde nordischer Kultur und Lebensart: Zum Reiseantritt bekam ich das Buch "Scheißrentiere" des norwegischen Autors Magne Hovden geschenkt. Der Untertitel "ein Abentuer in Nordnorwegens östlicher Finnmark" sagt schon praktisch alles, was man vorab wissen muss. Und tatsächlich entwickelt sich die Einrichtung eines samischen Erlebniscamps für Touristen durch zwei Postler aus Kirkenes, die allerdings nicht den Hauch einer Ahnung von samischer Kultur und Lebensweise haben, zum Abenteuer, in dem ein wütender finnischer Souvenirhändler, ein missmutiger, samischer Rentierfarmer, ein Samen-Hasser und sein toter Hund Gonzo sowie der samische Kehlkopfgesang "Joik" eine gewisse Rolle spielen. Allen, die zu der Lektüre greifen schon jetzt viel Spaß beim Finden des inneren Rentiers...